"Kindgerecht durch Spaß?"

Hmm, es heißt ja kindgerechter Wettkampf, also müsste es mehr ein Spaß-Wettkampf sein, so würde ich das jetzt hineininterpretieren.

„Das Beste zum Spielen für ein Kind ist ein anderes Kind“, Friedrich Fröbel, deutscher Pädagoge

Die deutsche Sprache versteht unter „kindgerecht“ „für ein Kind geeignet“ oder „dem Kindesalter angemessen“. Wir verstehen unter Kindesalter den Lebensabschnitt zwischen Geburt und Übergang in das Jugendalter.  Wie soll man dann erklären, dass Wettkämpfe nur bis zum 7. Lebensjahr „kindgemäß“ sein können? Richtig wäre folglich von „altersgerechten“ oder „entwicklungsgemäßen“ Wettkämpfen zu sprechen. Wenn wir von Kindern unter 7 Jahren sprechen, dann betrifft das gemäß der Nachwuchskonzeption des DSV die Grundausbildung und das Grundlagentraining (GLT)[1]. Das zur Terminologie. Wettkämpfe im Grundlagentraining sollten

  • ausbildungsbezogen sein: Die Wettkämpfe sind den Ausbildungs- und Lernzielen des Trainings untergeordnet, d.h. im Wettkampf wird das abgefordert, was im Training trainiert (konditionelle Fähigkeiten) und erlernt (Schwimmtechnik) wurde. Folglich ist Vielseitigkeit ein dominantes Merkmal.
  • altersgemäß sein:  Durch den ersten Gestaltwandel (5.-7. Lebensjahr) verändern sich die Kinder zum körperlich ausgeglichenem Schulkindtyp mit starkem Bewegungsdrang und weiterhin unermüdlichem Spieltrieb. Fortschritte im Spracherwerb erleichtern die Kommunikation. Unter Bewegungsaspekt ist die „beträchtliche Vervollkommnung der Bewegungsformen sowie die Aneignung erster Bewegungskombinationen“ hervorzuheben (Meinel & Schnabel 2007). Gegenüber dem Kleinkindalter bewältigen die Vorschulkinder Aufgaben bereits zielstrebiger und konzentrierter (Schulreife).
  • erzieherisch wirksam sein: Die Kinder sollten Spaß daran haben, zu zeigen, was sie im Training erlernt haben, auch am Sieg über den Gegner. Der Sieg über andere sollte aber nicht das dominierende Motiv sein. Deshalb sind Mannschafts- und Staffelwettbewerbe zu bevorzugen. Zugleich sollen die Kinder für den langfristigen Leistungsaufbau „wettkampffähig“ gemacht werden, also lernen mit Wettkampfstress umzugehen.
  • Das Kind schützen: Dazu sind in den Wettkampfbestimmungen Wassertemperatur (>18°C), und mit der Ergänzung „Kindgerechte Wettkämpfe“ Anzahl der Starts auf 5 (inklusive Staffel) und Länge der Wettkampfstrecke auf 25m limitiert. Zudem sind die in den WB verankerten Gesundheitsbestimmungen einzuhalten.

Angeblich im Interesse des „Jugendschutz“ hat der DSV die Wettkampfmöglichkeiten für die Jüngsten eingeengt:

  • Für Schwimmer bis 7 Jahre,sind ausschließlich als Wettkampfprogramm folgende Wettkämpfe bis 25m zulässig: Rückenbeine, Rücken, Freistilbeine, Kraul, Brustbeine, Brust und Delphinbewegung. Weitere Schwimmkombinationen (also keine weiteren Schwimmarten) und Einsatz in Staffeln (Teilstrecke darf max. 25 m betragen) sind gestattet.
  • Darüber hinaus können Wettkämpfe durchgeführt werden, die keine wettkampfrelevanten Strecken beinhalten und den Mannschaftswettbewerb betonen (Ergänzung zum §2 WB-AT).
  • Auch die Wettkampfprogramme für 8-10-Jährige werden noch eingeschränkt. Die Details können auf der DSV-Internetseite eingesehen werden: https://www.dsv.de/fileadmin/dsv/documents/schwimmen/Amtliches/180108_besondere_Jugendschutz-Regeln_Schwimmen.pdf .

Informieren Sie sich zu diesem Thema aktuell. Es ist ein Lieblingsthema zuständiger Gremien und entsprechenden Wandlungen unterworfen. So will der DSV ab 1.1.23 mit dem neuen DSV-7-Standard alternative Wettkampfformate außerhalb des klassischen Programms stärker fördern. Zukünftig soll es zum Beispiel möglich sein, in den jüngeren Jahrgängen auch mal nur 300m Lagen zu schwimmen und die anspruchsvolle Schmetterlingsstrecke wegzulassen, oder einmal ganz andere Staffelwettbewerbe auszutragen als normalerweise. Das war zwar auch schon früher möglich, aber jetzt darf man das auch offiziell als Wettkampf nach dem Regelwerk des DSV bezeichnen. Allerdings finden dort erzielte Leistungen keinen Eingang in die Bestenliste des DSV und werden folglich auch nicht für Kadernominierungen berücksichtigt. Beides ist auch in Zukunft nur bei klassischen Wettkämpfen möglich. Auch die organisatorischen Hürden werden verringert: Wenn zwei Vereine gegeneinander schwimmen wollen, aber nicht alle Bahnen im Becken zur Verfügung stehen, sondern vielleicht nur drei, dann darf der Wettkampf trotzdem offiziell stattfinden, auch parallel zum öffentlichen Betrieb. Und auch wenn nicht die eigentlich vorgeschriebene Anzahl an Kampfrichter*innen vor Ort ist, kann eine Veranstaltung stattfinden, ist dann jedoch nicht Bestenlisten fähig. Schließlich wird auch die Organisation kombinierter Veranstaltungen zusammen mit Para-Schwimmer*innen erleichtert.

Unter Spaß wird ein Vergnügen verstanden, welches bei einem bestimmten Tun aufkommt. Beobachten Sie ihr Kind, bei welchem Tun es den meisten Spaß hat. Und Sie werden sehen, dass das nicht unbedingt die Schwimmnudel sein muss, sondern auch das Kräftemessen mit Gleichaltrigen. Nach dem neuen Konzept für Bundesjugendspiele an Grundschulen sollte jeder in irgendeiner Form prämiert werden, ohne dass die Teilnehmer mit verschiedenen Urkunden verglichen werden. Einfach gesagt: alle gewinnen, keiner verliert. Nur dumm, dass diese Kinder auf eine Gesellschaft vorbereitet werden, die so nicht ist. Das Kind muss lernen, mit Niederlagen umzugehen. Letztlich machen diese stark.

„Ansprüche können nicht stärker wachsen als Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Bürger“ Helmut Kohl (1930-2017) 6. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland


[1] damit sind grundsätzlich Gruppen des Leistungs- und nicht des Breitensports gemeint