Handicap = ohne Handy

Graham Hill, der Trainer von Olympiasieger Le Clos, hat seinen Schützlingen von Sonntagabend bis Sonntagmorgen den Gebrauch ihres iPhones verboten[1]. Geht das nicht zu weit?


„Mit Walkman, iPod, Handy und anderen transportablen Kommunikationsgeräten ist der Mensch längst zu einem Tonträger geworden.“, Willy Meurer, deutsch-kanadischer Publizist

Inzwischen kann man davon ausgehen, dass alle Jugendliche ein mobiles Endgerät[1] besitzen. Ihr Gebrauch in der Schule führte zu kontroversen Diskussionen. Sie ermöglichen einerseits den Einsatz in Unterrichtsprojekten, können aber andererseits den Unterricht stören bzw. von einer sinnvollen Pausengestaltung abhalten.

Für den Einsatz von Smartphones im Unterricht spricht ihre Funktion als Schnittstelle zwischen Schüler und Umwelt. Dabei werden drei zentrale didaktische Funktionen unterschieden[2]:

  • das Messen, Aufspüren, Experimentieren sowie das Aufzeichnen von Bildern und Tönen (Werkzeugkastenfunktion).
  • Recherche und Zusammenstellen von Informationen (Kommunikationsfunktion).
  • Selbst erarbeitetes Wissen dokumentieren (Portfoliofunktion).

Hinzu kommen die Möglichkeiten der Kommunikation mit Lehrer oder Trainer außerhalb der Unterrichts-/Trainingszeit. Ob beim Radfahren, zum Joggen oder beim Krafttraining – Smartphones sind mit den passenden Apps (z.B. Puls-App) die perfekten Helfer beim Fitness-Training oder in kritischen Situationen (z.B. Verlaufen bei Skiwanderung).

Die Kehrseite der Medaille ist, dass ihr Gebrauch stören kann bzw. durch Aufnahmen Urheber- und Persönlichkeitsrechte verletzt werden können (s. F.07). Zudem ist nicht alles echt, was auf Social Media gezeigt wird und die Schüler können sich schnell in dieser Scheinwelt verlieren. Ein Handyverbot bringt sie wieder zurück in die Realität und bietet ihnen dadurch eine Pause von der Matrix geboten[3].

Der Trainer kann dem Sportler das Gerät nicht einfach wegnehmen. Dazu bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage, die sich zwar in den Schulgesetzen der Länder aber eben nicht im Sport findet[4]. So sehen auch die meisten Schulordnungen ein Handyverbot vor. Klingelt zum Beispiel ein Handy während des Unterrichts, wird es eingezogen und kann nach der letzten Unterrichtsstunde im Sekretariat abgeholt werden. Besonders energisch ist dagegen vorzugehen, wenn Schul-/Trainingskameraden ohne deren Einverständnis fotografiert und die Bilder auch noch veröffentlicht (z. B. Internet) werden. Hier ist mit Schulstrafen bis zu juristischen Schritten zu rechnen. Entsprechende Erklärungen unterzeichnen die Schüler und die Eltern nehmen sie zur Kenntnis. Ähnlich könnten Vereine handeln. Ich denke aber, dass Graham Hill mit seiner Maßnahme etwas anderes im Fokus hatte. Betrachten Sie einmal Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit, dann werden Sie mit Erschrecken feststellen, dass bei vielen die ständige Beschäftigung mit dem Smartphone zur Sucht geworden ist. Im gleichen Umfang lässt die Aufmerksamkeit für den Mitmenschen im eigentlichen Umfeld (Familie) nach. Viele Jugendliche (und leider auch Erwachsene) leben heute im „Stand-by-Modus“, inzwischen als eine wesentliche Ursache von zunehmendem Stress bis zum Burnout erkannt.  Nach einer anstrengenden Trainingswoche bzw. zwischen zwei Wettkampftagen sollte Erholung und Ruhe oberste Priorität haben. Zudem schadet es nicht, wenn die Sportler Kontakt pflegen wie ihre Vorfahren: von Angesicht zu Angesicht (nicht skypen). Nun werden Sie fragen, wer kontrolliert das? Oberste Kontrollinstanz ist die Vernunft des hochmotivierten Leistungssportlers, der überzeugt ist, dass eine sportgerechte Lebensweise ein Fundament hoher sportlicher Leistungen ist. Bei jüngeren Sportlern sind Sie als Eltern im Einvernehmen mit dem Trainer gefragt. Ziehen Sie ab und an einmal den Stecker.


Tabelle gilt nicht für Bayern, dessen Gesetz Handys auf dem Schulgelände gänzlich verbietet (https://www.inside-digital.de/ratgeber/regeln-fuer-handyverbot-und-handynutzung-an-schulen)

[1] Im weiteren Text “Smartphones” stellvertretend für die mobilen Endgeräte

[2] http://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/smartphones-der-schule

[3] Handyverbot an Schulen – hilfreich oder sinnlos? LehrerNews 18.06.22

[4] Confurius, M. (2009). Handys in Schule und Unterricht. www.schutmanagement-online.de, 6-2009


[1] Graham Hill: Chad Le Clos Werdegang. Fina-Gold-Medal-Clinic, Moskau 29./30.110.2012

Fragen im Themengebiet