Wenn Sie in Verbindung mit dem bevorstehenden Höhentraining Ihrer Tochter den um Sauerstoff kämpfenden Bezwinger des Everest vor Augen haben, dann haben Sie tatsächlich ein Problem. Denn zwischen beiden Ereignissen liegen etwa 6000m Höhenunterschied mit sehr unterschiedlichen physiologischen Beanspruchungen. Auch in mittlerer Höhe (1800-3000m), also der für Höhentraining im Sport empfohlenen Höhe, sinkt mit dem Luftdruck die absolute Sauerstoffmenge ab (reduzierter Sauerstoffpartialdruck). Das spürt ein gesunder und trainierter Mensch aber erst bei intensiveren Belastungen. Bei gleicher Schwimmgeschwindigkeit wie im heimatlichen Pool werden höhere Belastungszonen (s. C13) erreicht. Deshalb wird in den ersten Tagen mit reduzierter Intensität bei relativ hohen Umfängen (aerob) geschwommen. Mit zunehmendem Training in der Höhe wird diese Anpassungsphase für Ihre Tochter unproblematischer. Inzwischen liegen seit annähernd 50 Jahren Erfahrungen von Wissenschaft und Praxis des Höhentrainings vor. Dabei kristallisiert sich immer mehr als Knackpunkt nicht das Höhentraining selbst, sondern dessen Transformation in die Leistung unter NN heraus, hier besonders der günstigste Zeitpunkt bis zum Wettkampf. Doch das sind trainingsmethodische Probleme, die der Trainer zu lösen hat.
Erfahrungsgemäß liegen mögliche Problem für Ihre Tochter auf einer anderen Ebene. Da Höhentraining zwangsläufig mit einem Ortswechsel verbunden ist, und zwar nicht nur von „unten“ nach „oben“, sondern über Ländergrenzen bis Klimazonen hinweg, muss Ihre Tochter mit einem für sie ungewohnten Umfeld klarkommen. Das betrifft besonders die Ernährung und gegebenenfalls die Anpassung an einen veränderten Tagesrhythmus (Jetlag).
In der Regel liegen Höhenzentren etwas abseits und man muss mit der landestypischen Küche vorliebnehmen. Nun gibt es dabei bestimmt gewaltige Unterschiede zwischen Zachkadsor (Armenien) und Sierra Nevada (Spanien), Kunming (China) und Toluca (Mexico). Aber ich erinnere mich, dass viele Schwimmerinnen bereits an der durchaus ansprechenden bulgarischen Küche von Belmeken herummäkelten. Das ganze Höhentraining kann aber zum Desaster ausarten, wenn der durch die erhöhte Belastung erforderliche Energiebedarf nicht gedeckt wird. Hier rächt sich, wenn Sie in der Vergangenheit nur das serviert haben, was das liebe Kind mag. Solche Hinweise, man solle nur essen, wenn man Hunger hat, und zwar nur das, worauf man Lust verspürt und was einem gut schmeckt[1] sind unter diesen Umständen kontraproduktiv. Zudem sollte der ganze Vorgang durch regelmäßige Gewichtskontrollen überwacht werden (s. E12-15).
Als optimale Dauer eines Höhentrainings wurden drei Wochen ermittelt. Das heißt drei Wochen weg von Elternhaus und Freunden/innen. Diese Trennung wird zwar heutzutage nicht mehr so hart empfunden, aber skypen kann nun einmal die zwischenmenschliche Nähe (noch) nicht ersetzen. Die Registrierung der subjektiven Befindlichkeit zeugte bei Schwimmerinnen in den letzten Tagen des Höhentrainings von einer deutlichen „Sättigung“. Olympiasieger Phelps äußerte nach einem vierwöchigen Höhentraining, es seieffektiv, mache nicht immer Spaß und zum Schluss möchte man nur noch nach Hause. Vielleicht stellen wir einmal die positiven Momente voran, wie den Aufenthalt unter Gleichgesinnten, das Erlebnis einer herrlichen Berglandschaft, eine zumeist „allergiefreie Zone“, weg vom Alltagsstress (incl. Presse und Funktionäre) und die Chance einer schnelleren Leistungsentwicklung.
Hypoxieform | Erzeugung/ Nutzungsbedingungen | Physikalisches Prinzip |
Natürliche Höhenbedingungen | Training im Mittelgebirge | Natürliche Luftdruckreduzierung |
Künstliche Höhenbedingungen (Luftdruckkammer) | Training in Unterdruckkammern unterschiedlicher räumlicher Abmessungen | Künstliche Luftdruckredizierung |
Gasgemische | – abgeschlossene Gebäude mit hypoxischem Gasgemisch – stationäres Maskensystem | Künstliche Volumenreduzierung des Sauerstoffs (“Stickstoffhaus/zelt”) |
Atemmasken | Tragbares ortsunabhängiges Maskensystem | Künstliche Volumenreduzierung des Sauerstoffs |
[1] Uwe Knop (2013). „Esst doch, was ihr wollt“ – Warum Ernährung weder gesund noch krank macht. Rowohlt