Krafttraining früh, aber richtig!

Unsere Tochter ist mit 10 Jahren schon eine recht erfolgreiche Schwimmerin. Sie trainiert fünf Trainingseinheiten pro Woche im Wasser und dazu ein bis zwei lockere Einheiten Gymnastik, Laufen etc. Ihr Trainer möchte nun, dass sie auch am Krafttraining teilnimmt. Wir zögern aber, weil wir nicht wissen, ob Krafttraining in diesem Alter überhaupt schon sinnvoll ist, da der Körper ja gerade noch am stärksten wächst, und außerdem befürchten wir, dass es eventuell ihrer Gesundheit auf Dauer schaden könnte.

Tatsächlich hielt sich noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts in verschiedenen Lehrbüchern und der Trainingspraxis die Auffassung, dass Krafttraining die Entwicklung von Beweglichkeit (Technik), Ausdauer und Schnelligkeit hemme. Hinzu komme die extreme Belastung, der der kindliche Bewegungsapparat nicht gewachsen sei. Die Mahnung von Edouard Claparède (1873 – 1940), dass das Kind kein Miniaturerwachsener sei, wurde von Generation zu Generation von Sportlehrern und Trainern übertragen, ohne zu berücksichtigen, dass der Schweizer Psychologe die Mentalität des Kindes meinte und nicht dessen physiologische Anpassungsfähigkeit. Inzwischen wissen wir Muskelkrafttraining verbessert auch bei Kindern die Anpassung der biologischen Strukturen, moduliert die Gewebespannung, dämpft Vibrationen und optimiert die Kraftübertragung über die Gelenke.

Ein holländischer Kollege begründete einmal seine Skepsis gegenüber dem Krafttraining für Schwimmer mit dem Hinweis, jedes Gramm mehr an Muskelmasse wäre ein Zehntel weniger im Wasser. Schwimmen ist aber eine Kraftausdauer- Sportart und so stellt sich – übrigens disziplinbezogen sehr unterschiedlich – die Frage nach dem erforderlichen Optimum beider Fähigkeiten. Wer einmal Gewichtheber schwimmen gesehen hat, wird verstehen, dass es hier nicht um ein Maximum an Kraft gehen kann.

„Kraft für Schwimmen“ projizieren die meisten nur auf Arme und Beine, weil diese Kraft – technisch richtig umgesetzt- Vortrieb erzeugt, einfach gesagt Schwimmen erst ermöglicht. Die Extremitäten haben aber im Rumpf ein Widerlager. Und wenn dieser Rumpf instabil ist, dann lässt sich die Schwimmtechnik nicht optimal umsetzen. Typisches Beispiel ist der Anfänger, der auf jeden Armzug mit der Hüfte ausweicht und sich so durch das Wasser „schlängelt“. An dem „knöchernen Fundament“ Wirbelsäue, Becken und Brustkorb setzen zahlreiche Muskeln, die einerseits die Schwimmbewegungen ermöglichen, andererseits aber im Sinne von Ursache-Folge –Ketten dieses Fundament enorm beanspruchen. Rückenleiden sind die Folge. Das ist übrigens nicht nur das Problem der Schwimmer. Rund die Hälfte der Kinder weisen Haltungsschäden auf (Dordel 2000, Ludwig 2008).

Ob man unbedingt im Alter ihrer Tochter die „Vortriebskraft“ mit spezifischen Übungen entwickeln muss, das ist nach heutigem Erkenntnisstand zwar möglich, aber fällt nach meiner Erfahrung unter das Motto „Mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Die Kräftigung der Rumpfmuskulatur sollte hingegen ein fundamentaler Bestandteil im Training aller Ausbildungsetappen sein. Was nutzt uns das Talent, wenn es konditionell den Trainingsbelastungen nicht gewachsen ist?

Für die Altersgruppe, der ihre Tochter angehört, sollte das Krafttraining zwei Schwerpunkte erfassen, einmal das funktionale (prophylaktische) und zum anderen das SchnellKrafttraining. Unter funktionalem Training verstehen wir vor allem das Training der Muskelgruppen des Halte- und Bewegungsapparates bei bevorzugter Kraftausdauermethode, unter Schnellkrafttraining allgemeines und vielseitiges Sprung- und Wurfkrafttraining. Der große Widerspruch zwischen diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Praxis in den Schwimmvereinen unseres Landes besteht oft darin, dass das „Landtraining“ als notwendiges Übel gesehen wird, ohne den Voraussetzungscharakter für Belastungsverträglichkeit und letztlich hohe Schwimmleistungen zu erkennen.                                                                                                                          Die sensiblen Bereiche bei diesem Vorgehen bleiben Unfälle mit Trainingsgeräten und das Stütz- und Bewegungssystem. Letzteres wird

zwar durch das Krafttraining optimaler entwickelt, ist „jedoch auch sehr anfällig gegenüber fehlerhaften und überhöhten Belastungen“ (Fröhner, 1993). Dabei werden die den Lebensabschnitt zwischen 11. bis 15. Lebensjahr kennzeichnenden Wachstumsschübe besonders kritisch gesehen. Es geht also nicht um ein NEIN gegenüber dem Krafttraining von jungen Schwimmern/rinnen, sondern um die richtige und dosierte Belastung. Da hat „Eisen“ ebenso wenig Platz wie das überdimensionierte Paddle. Aus der Fülle an Hinweisen zum Krafttraining bei Kindern seien hier einige aufgeführt:

  • vermeide Fehlbeanspruchungen der Wirbelsäule,
  • meide die so genannten „Krankmacherübungen“[1] ,
  • Partnerübungen machen oft Spaß, überfordern aber das unausgereifte Stützsystem,
  • steigere erst die Anzahl der Wiederholungen und dann die Belastungshöhe, die bei Kindern nicht durch Gewichte repräsentiert werden sollte,
  • „eigenes Körpergewicht“ ist nicht immer das richtige Maß,
  • Muskelquerschnittsvergrößerung (Hypertrophie) ist wegen des geringeren Testosteronhaushaltes wenig effektiv und wegen des biologischen Wachstums auch nicht unbedingt erforderlich,
  • fordere keine eingelenkigen Übungen (z.B. an Kraftgeräten),
  • übe nie ohne Aufsicht!

[1] Übungen, die gegen die normale Bewegungsrichtung von Gelenken und Wirbeln gehen (http://www.staff.hs-mittweida.de/~rjentsch/judo_gym.html)

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