Abtraining nach Plan

Unser Sohn wurde plötzlich wegen unzureichender Leistungen aus der Leistungsgruppe genommen. So ein abruptes Ende kann doch nicht gut sein. Müsste er nicht wenigstens abtrainieren?

“Wer auftrainiert, muss auch abtrainieren”  Prof. Bredel, Sportmediziner

Eine Sache, die man systematisch begann, sollte auch so beendet werden. Das hört sich einfach an, ist aber in der Praxis nicht immer so. Manchmal endet die sportliche Laufbahn chaotisch (s. A.15/22).

Was ist eigentlich unter „Abtraining“ zu verstehen? Als Schwimmer ist uns auch der Begriff „Abbaden“ bekannt, jener Moment im Herbst, wo wir uns fast „entmannt“ von den öffentlichen Gewässern für einige Monate verabschieden. Die Trainingswissenschaft versteht unter Abtrainingdie systematische Reduzierung der Trainingsbelastung nach Beendigung der sportlichen Laufbahn. Dem „hochgezüchteten“ Organismus wird so ermöglicht „abzutouren“. Folglich ist Abtraining vorrangig ein medizinisches Problem, indem die Belastung reduziert und damit mögliche Regulationsstörungen des Organismus vermieden werden. Als Mindestbelastung werden vier Stunden pro Woche angegeben (Schnabel & Thieß .1993). Bereits 1881 erkannte ROUX, dass nur durch Umweltreize Struktur und Funktion der Organsysteme optimal entwickelt werden können. So wie sich der Organismus an diese Belastungsreize anpasst (fast süchtig werden kann, was wiederholt Freizeitläufer äußerten), so reagiert er gestört, wenn diese Reize plötzlich und nachhaltig ausbleiben. NÖCKER, einer der Nestoren der Sportmedizin, sprach von „Sportentziehungserscheinungen“. Gemeint ist damit das akute Entlastungssyndrom, das durch folgende Symptome gekennzeichnet ist: 

  • Druck und Stiche in der Herzgegend, Extrasystolen
  • Schwindel/Kreislauflabilität
  • Kopfschmerz
  • Völleempfinden im Oberbauch, Verdauungsstörungen,
  • Appetitstörungen
  • Unruhezustände, Schlafstörungen, depressive Verstimmung
  • emotionale Instabilität (Israel 1993).

Um das zu verhindern, sollten Trainer und Sportmediziner einen Abtrainingsplan erstellten und den Sportler zu weiterer sportlicher Aktivität im Sinne des „Gesundheitstrainings“ motivieren. Für Schwimmer aus dem Hochleistungsbereich mit 25-30 h Training/Woche müsste über einen Zeitraum von 8-12 Wochen die Trainingsbelastung schrittweise von täglichem Training (1. Woche) bis zu dreimaligem Training pro Woche (4.-12. Woche) reduziert werden. Danach regelmäßig 2-3 x/Woche Training (was nicht immer Schwimmen sein muss, auch Lauf, Radfahren usw. ist möglich). Mit dem Übergang in eine Breitensportgruppe mit zwei- bis dreimaligem Schwimmen pro Woche wären dann wesentliche Forderungen des Abtrainings erfüllt.

Nun ist nicht gleich bei jedem unregelmäßigen Herzschlag ein akutes Entlastungssyndrom anzunehmen. Aber nach einem abrupten Trainingsabbruch des Hochleistungssportlers besteht die Gefahr der „psychosomatischen Entgleisung“. Und selbst das muss nicht bei allen Sportlern zutreffen, häufiger bei Ausdauersportlern als bei Schnellkraftsportlern und ist Typ-abhängig“ (WEINECK, S. 211).

Wenn hier auch eine wesentliche Kontrollfunktion beim Arzt liegt, die moralische Verantwortung können und dürfen wir dem Trainer nicht nehmen. Am Thema „Abtraining“ scheiden sich die Geister, ob der Aktive nur zur eigenen Profilierung benutzt wird oder ob sich Trainer und Funktionäre prinzipiell für „Wohl und Wehe“ der ihnen anvertrauten Sportler zuständig fühlen.

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