Wenn die "Chemie" nicht stimmt

Unsere Tochter möchte unbedingt einen anderen Trainer. Sollen wir das unterstützen?

Der Lehrer ist da, wenn der Schüler dafür bereit ist (Aus dem Zen-Buddhismus)

Zunächst sollten Sie die Beweggründe für den Wunsch Ihrer Tochter ergründen. Zum einen können ernsthafte Gründe vorliegen, die ein Gespräch mit dem Trainer oder dem Leiter der Schwimmabteilung erfordern. Zum anderen neigen Kinder (und Erwachsene) oft dazu, den „inneren Schweinehund“ zu ignorieren und die Ursachen einer unbefriedigenden Leistungsentwicklung oder fehlender Anerkennung in der Gruppe anderen anzulasten, oft muss dann der Trainer herhalten. Zudem ist in den meisten Vereinen ein Wechsel in eine andere Gruppe kaum möglich, alternativ vielleicht in eine Breitensportgruppe, aber das ist wohl hier nicht gewollt.

Vielleicht erinnern Sie sich Ihrer Schulzeit. Da konnten Sie auch nicht beliebig die Lehrer wechseln und mussten mit manch unliebsamem Pauker bis zum Examen auskommen. Aber auch das ist „Vorbereitung auf das Leben“. Wir können uns in den meisten Fällen unsere Vorgesetzten nicht aussuchen und müssen lernen zu kooperieren, auch wenn die „Chemie“ nicht stimmt.

Wir müssen bei dieser Problematik unterscheiden, ob sich das Kind noch im Nachwuchstraining oder bereits fortgeschritten im Anschluss- oder Hochleistungstraining befindet. Während die jungen Schwimmer noch stark emotional gesteuert (heute ist der Trainer „cool“, morgen „blöd“) und vom Gruppenklima abhängig sind, wird mit zunehmendem Leistungsniveau die fachliche Kompetenz des Trainers kritisch wahrgenommen. Aber auch hier ist zu unterscheiden, ob der Sportler nicht mehr bereit ist, die zunehmenden Trainingsbelastungen auf sich zu nehmen und in den Trainer- bzw. Vereinswechsel flüchtet. Oder ob er sich trotz größter Anstrengungen nicht weiterentwickelt, weil das Training seit Jahren in den gleichen Gleisen verläuft. Damit fehlen neue Trainingsreize als Grundlage weiteren Leistungsfortschritts. Das hat oft nichts mit gestörtem Vertrauensverhältnis zu tun, sondern der Trainer ist in einem solchen Fall mit einem bestimmten, bislang erfolgreichen methodischen Weg fest verwachsen und kann nicht mehr „über seinen eigenen Schatten“ springen. Zum Beispiel hat manch erfolgreicher Langstreckentrainer Probleme Sprinter zu trainieren.

Wenn Ihr Kind bereits einen bestimmten Leistungslevel erreicht hat, dann sollten Sie bei dem Wunsch nach Trainerwechsel prüfen, ob es von einem fremden Trainer/Verein angesprochen wurde. Das Fördersystem des DOSB honoriert die Anzahl von Kadersportlern und animiert damit die Vereine zur Abwerbung. Die Bundesliga macht‘s vor, nur auf einer anderen finanziellen Basis. Ihnen sollte für einen solchen Fall bekannt sein, dass entsprechend der Förderbedingungen im DOSB nicht unmittelbar ein Vereinswechsel erforderlich ist (der aber in der Praxis kaum über längere Zeit abzuwenden ist). Wenn aber im Anschluss- und Hochleistungstraining durch Vereins- und damit Trainerwechsel sich Förder- (Sportschule, Leistungszentrum) oder Ausbildungsbedingungen verbessern, sollten Sie das im Interesse der persönlichen Entwicklung Ihres Kindes unterstützen (s. A.10-12).

Erst nach dem Wechsel zu Trainer Warnatzsch gelang Britta Steffen der zweite Karrieresprung mit Olympiagold (Foto: Peter Helliwell)

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