Andere Interessen

Wir hatten unser Kind zum Schwimmen angemeldet. Jetzt möchte es aber lieber zum Fußball. Da es in seinen Entscheidungen immer noch recht wechselhaft ist, wissen wir nicht, ob wir seinem Wunsch nachkommen sollen.

Ich hoffe nicht, dass in Ihrem Hause zählt „Solange Du an meinem Tisch sitzt, wird gemacht, was ich sage“. Sie sollten Ihr Kind entsprechend seiner Neigung und Eignung unterstützen, aber nicht bevormunden. Inwiefern Kinder mitbestimmen, hängt von deren Alter und Reife ab. Das beachtet zum Beispiel der Gesetzgeber, indem er dem Kind bei Vollendung des 7. Lebensjahres beschränkte Geschäftsfähigkeit, ab 14 Strafmündigkeit, ab 15 Handlungsfähigkeit für Sozialleistungen und mit dem 18. Lebensjahr die Volljährigkeit zuspricht. Sie haben leider nicht das Alter Ihres Kindes angegeben, denn das bestimmt Ihr Vorgehen entscheidend. Besonders vor dem 10. Lebensjahr wechseln die Vorlieben für eine bestimmte Tätigkeit sehr schnell, zum Leidwesen der Eltern, wenn Sie bereits einiges in das Hobby investiert haben.

Welche Art der Mitbestimmung können Sie von einem Kind erwarten?

Kinder orientieren sich noch nicht an den Spielregeln menschlichen Zusammenseins, sondern an ihren Bedürfnissen. Sie müssen aber erfahren, dass sich nicht alle Bedürfnisse erfüllen, dass Wünsche unerfüllt bleiben. Aber gerade bezogen auf Grenzen, Strafen und Konsequenzen gegenüber ihrem Kind sind sich viele Eltern unsicher. Ihre halbherzigen Hinweise verunsichern die Kinder eher als sie zu orientieren. Grenzen mögen Kinder im ersten Moment als Einschränkung ihrer Freiheit empfinden, auf Dauer geben sie aber Orientierung und Sicherheit.

Besonders mir als Opa und „Pädagogen auf Lebenszeit“ fällt auf, dass die Kinder heute selbstverständlicher und selbstbewusster auftreten. Mein Erziehungsstil der 60iger Jahre würde heute von meinen Enkeln als „Gängelei“ verurteilt. Der bekannte dänische Pädagoge Jesper Juul führt das auf das Konzept der Gleichwürdigkeit zurück, das das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern verändert hat. Er sieht darin eine veränderliche Kategorie, um die man sich immer aufs Neue bemühen muss. Damit gehört der von Ihnen angesprochene Fall in den Familienrat, wo in gegenseitiger Achtung und Respekt vor dem anderen die anstehenden Probleme besprochen werden[1]. Nach einer Untersuchung treffen sich in Deutschland 64% der Familien regelmäßig am „Runden Tisch“. 57% der Befragten gaben an, dass ihr Kind bei der Freizeitgestaltung mitbestimmen kann (familie&co, 09/12 vom 01.08.12). Wichtig ist hierbei nicht nur das „Verhandlungsergebnis“, sondern die Erfahrung für Ihr Kind, ernst genommen zu werden. Damit lernt es Verantwortung zu übernehmen und gründlicher nachzudenken, ob es sich z.B. mit dem Interesse für Fußball um ein kurzes Aufflackern handelt oder einen seit Langem bestehenden Wunsch.

Verabschieden Sie sich auf alle Fälle vom „sprechenden Elternautomaten, der automatisch seine pädagogischen, belehrenden oder hilfsbereiten Kommentare zum Besten gibt, sobald sich ein Kind in Hörweite befindet“ (Juust, 2012, S. 169). Gehen Sie im Familienrat folgenden Fragen nach:

  • Macht das Schwimmtraining noch Spaß und wenn nicht warum?
  • Schauen Sie selbst einmal beim Training Ihres Kindes zu
  • Beachten Sie die Meinung von Experten zur Eignung Ihres Kindes für die betreffende Sportart
  • Prüfen Sie, ob es sich nur um eine Wechsellaune Ihres Kindes handelt
  • Liegt die Ursache ganz woanders (Freund ist zu Fußball gegangen…; günstigere Entfernung)?
  • Informieren Sie sich über den Verein, der bei einem Wechsel für Ihr Kind infrage käme (Kosten, Struktur, Perspektive, Qualifikation der Trainer, Unfallgefahr der Sportart usw.).

Zwingen Sie Ihr Kind nicht zur Entscheidung. Vielleicht besteht die Möglichkeit, erst einmal mit einem „Schnupperkurs“ die neu ausgewählte Sportart kennenzulernen. Beachten Sie außerdem das gesamte Sportangebot des Vereins Ihres Kindes.


[1] P.S.: Nicht ganz unvoreingenommen empfehle ich Ihnen, sich in Vorbereitung des Familienrates noch einmal die Vorteile des Schwimmens zu Gemüte zu ziehen (s. Anhang). Das Konzept der Gleichwürdigkeit schließt Überzeugungsarbeit nicht aus.

Wertevermittler für Kinder (in % der Wahlen) Quelle: Wertestudie Unicef 2010

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