Ein Burnout entsteht dort, wo jeglicher Sinn zerbröckelt Thomas Häntsch, Fotograf
Gestatten Sie bitte, wenn ich hierzu die Kindheit meiner Generation bemühe. Wir begannen bei null. Die Wohnung ausgebombt, bei vielen der Vater im Krieg geblieben, ein Essen, dass man heute der Gosse überantworten würde. Meine Mutter nähte Kleider, die ich bis zu 15 km auf die umliegenden Dörfer brachte, zu Fuß natürlich. Aber waren wir unglücklich? Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zu gewandt waren wir beim Steine klopfen, Kartoffeln buddeln und voller Tatendrang. Umbruchzeit eben. Für Depressionen – keine Zeit. Burnout – unbekannt. Und heute wird bereits beim Eintritt in das Leben gefragt, ob es per Kaiserschnitt nicht müheloser wäre, schupsen Eltern ihre Zöglinge von einer Bildungsstufe zur nächsten, steht man nicht mehr nach Waren an, sondern bestellt per Klick und bekommt sie vor die Haustür gebracht. Und wer sich das mühselige Anbaggern sparen möchte, klickt den Partner gleich mit herbei. Freunde holt man sich auf den Bildschirm und die Welt teilt sich auf in „gefällt mir“ oder eben nicht.
Eigentlich ist doch alles leichter geworden und trotzdem knickt jeder vierte im Job ein, weil er sich ausgebrannt fühlt. Sie haben richtig gehört „im Job“. Burnout ist also eine Erscheinung unserer Gesellschaft und nicht nur des Leistungssports. Es ist ein Problem der Lebensbewältigung und keine Krankheit, kann aber zu psychosomatischen Erkrankungen führen. Nun ist das so eine Sache mit der Wahrnehmung. Wenn der Bäcker, der morgendlich vier Uhr in der Bachstube steht, nicht mehr mit dem Supermarkt konkurrieren kann und sich deswegen das Leben nimmt, dann ist das vielleicht eine Zeile in der Lokalpresse wert. Wenn der depressive Torwart der deutschen Fußballmannschaft gleiches tut, dann sind die Medien im ganzen Lande über Wochen beschäftigt. Beide Fälle sind tragisch und bedauerlich, aber warum diese unterschiedliche Wahrnehmung? Weil rund 85% der Deutschen im Spitzensportler ein Vorbild sehen, bezogen auf Leistungswille, Fairness, Gemeinschaftsgefühl und Leistungsfähigkeit (Breuer/Hallmann 2011), aber nicht auf Aufgeben, Verlieren, Ausscheiden.
Wenn übersteigerte Leistungserwartungen zu Burnout führen können, dann ist der Spitzensportler ebenso betroffen wie der Manager, der unter Druck stehende Krankenpfleger oder der sich permanent dem Wähler anbiedernde Politiker. So nimmt es nicht Wunder, dass 9,3% der Spitzensportler angeben, unter depressiven Erkrankungen zu leiden, 11,4% unter Burnout (Breuer/Hallmann 2013). Allerdings sollten diese Zahlen vorsichtig gedeutet werden, denn:
Burnout ist „keine so klar definierte Krankheit wie etwa ein Oberschenkelhalsbruch, sondern ein Sammelbecken für individuelle Überlastungsreaktionen. Der Begriff wird häufig gebraucht, weil er scheinbar weniger stigmatisiert als eine andere psychische Erkrankung. Die Leute meinen, wer an Burnout leide, habe es deshalb, weil er sich im Beruf zu stark engagiert hat. Es ist so gesehen die offizielle Erlaubnis, psychisch krank zu werden“. (Bergner, Zeit Online).
Woran erkennen Sie bei Ihrem Kind erste Anzeichen von Burnout?
- an emotionaler Erschöpfung („Ich kann nicht mehr“, „Das macht alles keinen Sinn“)
- zunehmen kritischer Haltung zum Sport („Trainingsweltmeister“)
- zurückziehen (aus der Trainingsgruppe, der Familie),
- Apathie, Training ohne Motivation (weil es die anderen so wollen),
- geringere Belastbarkeit, labile Stimmungslage, störanfälliger gegenüber Infekten usw.
Erst in der Summe deuten diese Symptome auf ein Burnout, das professioneller Hilfe bedarf. Wenn Sie bereits im Vorfeld im Tages- und Wochenablauf Erholungsphasen gewährleisten und den Leistungsdruck bei Ihrem Kind mindern, dann dürfte es dazu gar nicht erst kommen. Das ist wie bei einem Reifen. Er benötigt einen gewissen Druck, um Unebenheiten zu parieren. Zu viel Druck, er platzt und nichts geht mehr (s.B.09).