Kinder und Uhren dürfen nicht beständig aufgezogen werden, man muss sie auch gehen lassen (Jean Paul)
Ihre Frage berührt ein wesentliches Problem unserer Gesellschaft und stellt Eltern, Lehrer und auch Trainer vor große Herausforderungen[1]. Denn einerseits wollen alle Ihr Kind optimal fördern, andererseits überziehen Sie die Grenzen und schaden Ihrem Kind. Eine UNICEF-Studie zeigte, dass die Kinder in Deutschland besser leben als die Kinder und Jugendlichen in den meisten anderen Ländern. Trotzdem sind viele Mädchen und Jungen in Deutschland unglücklich. „Die einseitige Konzentration auf Leistung und formalen Erfolg führt dazu, dass sich viele Kinder und Jugendliche ausgeschlossen fühlen. Unsere an Ressourcen reiche Gesellschaft versagt offensichtlich dabei, allen Mädchen und Jungen Hoffnung und Perspektiven auf gerechte Teilhabe zu geben” (Prof. Bertram, ZDF, 10.04.13).
Besonders der Leistungssport ist leistungs- und erfolgsorientiert. Der Wettbewerb prägt nicht nur den Wettkampf, sondern jede Trainingseinheit, wenn nicht gegen Sportkameraden, dann gegen die Uhr. Die Praxis lehrt uns, dass die meisten Kinder vor Ehrgeiz sprudeln. Das erfordert vom Nachwuchstrainer immer ein abgewogenes Verhältnis zwischen Anspornen und „Bremsen“. Leider lassen sich aber einige Trainer und Eltern nicht von dem Leitspruch leiten „Leistung ja, aber nicht um jeden Preis“. So führen permanente Überforderung, die Angst vor Scheitern und dem Ende der sportlichen Karriere bei den jungen Sportlern zu Selbstzweifel und Blockaden. Eine Befragung bei Kadersportlern ergab, dass rund ein Fünftel an depressiven Erkrankungen, den Burnout-Syndrom oder Essstörungen leidet (Breuer/Hallmann, 2013).
Auf Probleme beim plötzlichen Abbruch der sportlichen Laufbahn und das Burnout-Syndroms wird an anderer Stelle eingegangen (B.10). Bleiben wir bei Ihrer Frage und versuchen auf mögliche Ursachen eines von Ihnen verursachten Leistungsdrucks bei Ihrem Kind hinzuweisen:
- Sie fordern in Unkenntnis der realen Leistungsvoraussetzungen Ihres Kindes und der Aufgaben und Ziele der jeweiligen Altersklasse unrealistische Ziele.
- Sie sind zu stark auf Platz- und Zeitziele fokussiert.
- Zu Hause ist „dicke Luft“, wenn Ihr Kind ein von Ihnen erwartetes Ziel nicht erfüllt hat.
- Der Kontakt zum Trainer ist zu gering. Damit wissen Sie zu wenig über den wirklichen Leistungsstand Ihres Kindes und dessen Belastbarkeit.
- Sie geben Ihrem Kind zu wenige Chancen, seine Probleme loszuwerden. Auch ein Wutanfall hilft manchmal Frust abzubauen.
- Beobachten Sie sich selbst, Druck kann nicht nur verbal, sondern auch durch Körpersprache aufgebaut werden.
- Ihr Kind muss begreifen, dass es für seine sportliche Laufbahn selbst zuständig ist. So verkraftet es leichter, seine Misserfolge vor sich selbst als immer vor den Eltern zu verantworten.
- Befriedigen Sie Ihren Ehrgeiz durch eigene Leistungen und nicht durch die anderer.
- Vorsicht vor dem „Nur-Leistungssportler“ bereits in jungen Jahren. Das Leben bietet mehr und damit auch Alternativen Stress zu kompensieren.
- Wann haben Sie das letzte Mal Ihr Kind gelobt?
- Verantwortung für Ihr Kind sollte nicht in „Überkontrolle“ ausarten.
[1] S. Seiffge-Krenke, I. (2006). Nach Pisa. Stress in der Schule und mit den Eltern. Bewältigungskompetenz deutscher Jugendlicher im internationalen Vergleich. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, wonach die größte Not der Kinder ist: „Meine Eltern wollen gute Noten und machen deswegen Druck“ (15.000 Kinder aus 25 Ländern).