Es liegt ganz einfach daran, dass hier keine Maschine bewegt wird, sondern ein Mensch, also ein „biologisches System“. Und dieses System bedarf bestimmter Reize, um sich zu entfalten, hier eben Trainingsreize. Bleiben sie aus, bleibt die Leistungsentwicklung aus. Mit dieser Binsenweisheit helfe ich Ihnen aber nicht weiter, denn Sie fragen nach den Ursachen.
Sie sagen, dass Ihre Tochter sehr ehrgeizig sei, dazu neige, immer Vollgas zu fahren. Sie möchte immer „vorn“ sein, im Training wie in der Schule. Welcher Motor soll das aushalten? Unser Körper passt sich an neue Reize nur an, wenn wir ihm auch Pausen gönnen. Er muss sich regenerieren können. Ist das nicht gesichert, baut der Körper nicht auf (anabol), sondern ab (katabol). Zu der ungünstigen Konstellation, große Bemühungen einerseits-wenig Erfolg andererseits, kann schnell eine mentale Blockierung hinzukommen („Was soll das alles!“) bis zum Zerwürfnis mit dem Trainer („der an allem schuld ist“). Aber die Trainingsbelastungen wie die „Kopfbelastungen“ korrespondieren eng mit dem Gesundheitszustand. Eine zentrale Größe ist dabei das Immunsystem.
Während moderates Training (aerobe Belastung) das Immunsystem stärkt, vermindern Belastungen an der Leistungsgrenze (anaerobes Training, Wettkämpfe), aber auch Stress (hektischer Tagesablauf, keine Pausen) dessen Abwehrkraft. Das ist zunächst ein normaler Vorgang, eine Schutzmaßnahme des Organismus.
Das Immunsystem hat zwei Funktionen, ähnlich einem Staat, der zu seinem Schutz gegen innen Polizei und gegen außen Armee einsetzt. „Gegen innen“ hilft es beim Abbau der in Folge der muskulären Überlastung entstandenen Produkte des Zellzerfalls und der Gewebsregeneration. „Gegen außen“ wehrt es Keime ab. Nun ist aber das „Waffenarsenal“ von „Polizei“ und „Armee“ beschränkt. Wenn die „Polizei“ mit ständigen Aufräumarbeiten von Muskeltrümmern beschäftigt ist, dann ist die „Armee“ in ihrem Abwehrpotential gegenüber Eindringlingen (z.B. Bakterien, Viren) erschöpft. Besonders nach anstrengenden Wettkämpfen ist das Immunsystem für 3 bis 72 Stunden geschwächt („Open-Windows-Phänomen“). Der Sportler ist dann besonders überempfindlich gegenüber eindringenden Erregern. Tatsächlich sind Leistungssportler besonders anfällig gegenüber Erkältungskrankheiten, insbesondere der oberen Atemwege (s. E.07).
Was kann man nun gegen die ständigen Erkrankungen tun? Unabhängig davon, dass diese Frage im konkreten Fall nur der zuständige Arzt beantworten kann und das individuell verträgliche Belastungsmaß schwer zu bestimmen ist, gibt es doch eine Reihe von Verhaltensmaßnahmen, die eine solche Situation im Vorfeld schon verhindern können:
- Nur durch eine regelmäßige körperliche Entlastung im Training hat das Immunsystem eine Chance zur Wiederherstellung seiner vollen Funktionalität. Als günstigste Variante hat sich dabei eine Entlastung im Rhythmus 3:1 erwiesen (z.B. auf drei Trainingseinheiten eine frei),
- Vorbeugend können Immunstimulantien (Pflanzenextrakte mit Wirkstoffen aus Echinacea usw.) eingenommen werden. Über Injektionen von Immunglobulin entscheidet der Arzt.
- Davon ausgehend, dass das Immunsystem ein Zellverband von 1,5 kg Proteinen ist, spielt eine ausgewogene Ernährung ebenfalls eine Rolle (s. E.13). Diese schließt frisches Obst mit den für das Immunsystem essentiellen Vitaminen A, C, D und E, sowie den Spurenelementen Eisen und Zink ein.
- Achten Sie darauf, dass Ihr Kind nicht zur „Treibhauspflanze“ wird und sich nicht nur zwischen Schule, Schwimmhalle und Wohnzimmer bewegt.
Darüber hinaus gibt es verschiedene Maßnahmen (Sauna, Wechselbäder, ausreichend Schlaf), die wie auch Medikamente, die körpereigene Immunabwehr unterstützen. Sie können aber nicht die Notwendigkeit einer körperlichen Entlastung ersetzen.