Gestatten Sie bitte, dass ich Ihre Frage etwas aufdrösle. Unter „extremen Schwimmen“ können wir einmal eine Bewegung verstehen, die mit der Anatomie des Menschen nicht so recht im Einklang steht, wie zum Beispiel die Beinbewegung beim Brustschwimmen oder die Delfinbewegung. Zum anderen kann aber auch eine fehlerhafte Belastung (zu lange, zu intensiv) zu körperlichen Beschwerden führen. Ein typisches Beispiel ist das Übertraining (s. C.08). Ich denke aber, dass ich dem Sinn Ihrer Frage entspreche, wenn ich auf die Belastungen des Bewegungsapparates eingehe.
Zwar wird im Wasser durch Auftrieb und hydrostatischem Druck das Körpergewicht um 90% verringert und somit der Bewegungsapparat deutlich entlastet, aber trotzdem muss mit jeder Schwimmbewegung ein beträchtlicher Wasserwiderstand überwunden werden. Und das im Hochleistungstraining mit vier Stunden täglich, gut 20 Stunden wöchentlich und über 800 Stunden jährlich. Wenn dann auch noch einige Schwimmtechniken nicht optimal mit den anatomischen Möglichkeiten übereinstimmen, belasten hohe Trainingsumfänge den Bewegungsapparat extrem. In Folge kann es zu typischen Schäden kommen, die durch den Zusatz „Schwimmer…“ bereits als solche gekennzeichnet sind und worauf spezifisch an anderer Stelle (s. E.05-06) eingegangen wird.
Das folgende Beispiel soll deutlich machen, wie man solche Schäden vermeiden kann:
Während der Leistungsdiagnostik der Kader des DSV hatten einige Schwimmer/innen beim Test an der Schwimmbank solche Schulterbeschwerden, dass sie sich weigerten, weiterhin an diesem Gerät zu ziehen. Anderen machte das nichts aus. Eine Anamnese ergab, dass die Gruppe mit den Beschwerden seit ihrer Kindheit fast nur im Wasser trainiert hat, während die andere Gruppe in Sportschulen einen Großteil des Trainings zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur nutzte.
Die Antwort liegt in der ganzheitlichen Betrachtung unseres Körpers. Da ist ein „Orchester von 210 Knochen und etwa 600 Muskeln“ zu dirigieren. Allein an der Zugbewegung der Arme, der hauptsächlichen Antriebskraft im Schwimmen, ist eine Vielzahl an Muskeln beteiligt. Diese bewegen das Schultergelenk und stabilisieren es aktiv. Letzteres ist besonders wichtig, da der Schultergürtel, im Gegensatz zum Beckengürtel, nicht fest mit dem Achsenskelett der Wirbelsäule verbunden ist. Im Schwimmen nutzen wir die große Bewegungsweite dieses Kugelgelenks, dass nicht wie bei den anderen Gelenken durch Bänder, sondern hauptsächlich durch die umgebende Muskulatur gesichert ist. Ist diese zu schwach ausgebildet, dann kann es zu Schäden am Gelenk kommen (s. E.06).
Diese Schäden können bereits im Vorfeld vermieden werden, wenn
- eine optimale Schwimmtechnik von Kindheit an erlernt wird,
- vielseitig an Land gearbeitet wird und auch Gegenspieler (Antagonisten) wie der ganze Rumpf gekräftigt werden (Vermeidung muskulärer Dysbalancen). Folglich sollte auch mit Steigerung des Wasserumfanges proportional die Anzahl der Gymnastikstunden zunehmen.
- im Wasser vielseitig trainiert sowie zwischen Einzel- und Gesamtbewegung und zwischen den Schwimmarten gewechselt wird,
- die regelmäßige sportmedizinische Untersuchung gesichert ist,
- die Balance zwischen Belastung und Erholung ausgewogen ist.