"Bleiben Sie mir gewogen!"

Meine Tochter wurde vom Trainer ermahnt, sie sei zu dick und würde somit eine optimale Leistungsentwicklung verhindern. Wir machen uns Sorgen, da sie kaum noch etwas isst.

Das Gleichgewicht verliert man leichter als das Übergewicht (Unbekannt)

Sie sprechen da ein sehr ernstes Problem an. Bereits bei Frage E.13 wurde darauf verwiesen, dass Kinder mehr Energie (berechnet auf pro Kg/Körpergewicht) benötigen als Erwachsene, da Wachstum und Reifung noch nicht angeschlossen sind. Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Trainingsumfang der Leistungsumsatz steigt. Wenn aber nun aus ästhetischen (Rhythmische Sportgymnastik, Eiskunstlauf) oder aus konditionellen Gründen (Ausdauersportarten) ein niedrigeres Körpergewicht als leistungsbegünstigend gilt, dann besteht die Gefahr, dass besonders ehrgeizige Kinder und Jugendliche zu dem Schluss kommen: noch weniger essen = schneller schwimmen. Das kann aber zur Mangelernährung führen, deren Symptome erst nach geraumer Zeit auftreten. Häufig betrifft das Mädchen im Alter von 14-18 Jahren. Oft gehen über eine längere Etappe bei abnehmendem Körpergewicht Wohlbefinden und sportliche Leistungsentwicklung einher, die das Kind in seiner Auffassung befeuern, auf dem richtigen Weg zu sein. Die Diskrepanz zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch wird größer und der Körper schützt sich mit einem Sparstoffwechsel, indem er einige Systeme in den „Ökogang“ schaltet, was dann noch fälschlicherweise als Anpassung an die Trainingsbelastung gedeutet wird. Wenn in einer solchen Situation nicht rechtzeitig eingegriffen wird, dann wird die Wiederherstellung der Normalität immer schwieriger. Es kann zu chronisch verfestigten Essverhaltensstörungen kommen (z.B. Bulimie).

Allerdings ist es kompliziert, Ihrem Kind ein Sollgewicht vorzugeben, vor allem wenn es sich noch im Wachstum befindet. Um Untergewicht frühzeitig zu erkennen, sollten Sie

  • den Body-Mass-Index (BMI) vergleichen, wonach ein Gewicht unter dem 3. Perzentil (P3) auf Untergewicht verweist (s. Tabelle),
  • in regelmäßigen Zeitabständen Körperhöhe und Körpermasse (-gewicht) Ihres Kindes erfassen und in Wachstumskurven eintragen (http://www.grosswuchs.de/2b.htm),
  • darauf achten, dass Ihr Kind zur Aktivierung des Immunsystems und der Vitamin-D-Synthese zur Stabilisierung der Knochen auch täglich an Sonne und frische Luft kommt.

Bei Abweichungen und Unregelmäßigkeiten sollte ein Sport-/Haus- oder Kinderarzt zunächst pathologische Ursachen ausschließen. Sie sollten in der Lage sein, dem Arzt genau die typischen Essgewohnheiten und bereits auftretende Symptome als Folgeerscheinungen des Untergewichts Ihres Kindes zu schildern. Sollte das Kind bereits unter extremen Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Verlust des Nahrungstriebes (Anorexie) leiden, dann ist die Belastung zu reduzieren, nicht gegen Null, aber moderat.

Die Ursachen von Magersucht sind vielfältig. Hungern wird zum Lösungsversuch von Problemen. Zudem werden durch Hungern Stresshormone (Endorphine) ausgeschüttet, die ein „high-Gefühl“ verursachen und somit zur Sucht führen können. Experten haben festgestellt, dass diese Sucht immer früher beginnt, vor allem bei Mädchen. Wenn zu dem propagierten Schlankheitsideal noch Hänseleien der Trainingskameradinnen oder der „nette“ Hinweis des Trainers „Du wirst ja immer dicker, wie willst Du da schneller werden“ hinzukommt, dann ist der Nährboden geebnet. Also auch in dem Fall: Sie lösen das Problem besser im gemeinsamen Vorgehen.

(Der Text stützt sich teilweise auf Fröhner, G.: Sportmedizinische Ratschläge für die Belastbarkeitssicherung im Nachwuchsleistungssport. Leistungssport 3/2008)

Tab.: Perzentile für den Body-Mass-Index (kg/m2) nach Kromeyer-Hauschild et al., 2001

Formel zur Berechnung des BMI = Körpermasse (kg) dividiert durch KH (m2)

Beispiel: a. Mädchen 14 Jahre  KH 1,64 m (m2=2,69)    KM 54 kg     BMI = 20,07 b. Mädchen 14 Jahre  KH 1,64 m (m2=2,69)    KM 42 kg     BMI = 15,61

Im Fall a liegt der BMI im Mittel (normalgewichtig), im Fall b im Bereich P10 und zeugt von Untergewicht.

Vorsicht ist besonders bei Mädchen geboten, wenn aus Leistungsdruck „Gewicht machen“ gefordert wird. Viele unserer Kinder wandern eher in die andere Richtung (Adipositas).

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