Unser Kind hat "Rücken"

Wir meinten bisher, Schwimmen sei gut gegen Rückenschmerzen. Nun kommt unser Sohn mit Rückenschmerzen aus dem Trainingslager. Was ist da los?

Was genutzt wird, entwickelt sich, was ungenutzt bleibt, verkümmert!” Hippokrates um 460 v.Chr.

Leider weiß ich nicht, was konkret im Trainingslager geübt wurde. Vergessen Sie nicht, dass der Schwimmer nicht nur im Wasser trainiert. Oft nutzen die Trainer die günstigen Trainingsbedingungen eines Lehrganges, um die athletischen Leistungsvoraussetzungen zu verbessern. Aber bleiben wir beim Schwimmen, denn in diese Richtung zielt Ihre Frage. 

Die häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen sind Verspannungen durch einseitige Belastungen. Durch den bewegungsarmen Alltag hat „Rücken“ inzwischen die Dimension einer Volkskrankheit angenommen. Und sie betrifft nicht nur vorrangig die Älteren, sondern dank „I-Phon & Co“ zunehmend die jüngere Generation. Gehen wir mal davon aus, dass es sich bei Ihrem Sohn um einen akuten Rückenschmerz handelt, der plötzlich auftritt und innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen nachlässt.

Zur Therapie wird immer wieder auf Schwimmen verwiesen, da das Körpergewicht durch das Wasser getragen wird und damit die Gelenke geschont werden. Dabei wird besonders Rückenschwimmen empfohlen, vom Brustschwimmen in seiner sportlichen Form abgeraten und Delfinschwimmen gar nicht erwähnt, wohl wissend, dass es nur wenige beherrschen.

Doch zunächst einige grundsätzliche Anmerkungen unter anatomischem Aspekt, bevor auf die Bewegungsabläufe im Schwimmen eingegangen wird:

Vergleichen wir unseren Körper mit einem Schiff, dann entspräche die Wirbelsäue dem Mast, der fest im Becken (Schiffsrumpf) verankert ist. An den Rahen (Querfortsätze der Wirbel) setzen starke Seilzüge (Bauch-, Rücken-, Halsmuskulatur), die den Mast im Sinne eines Muskelkorsetts stabilisieren. An dem Knochengerüst setzen nun die Ruder (Arme) und Flossen (Beine) mit verschiedensten Zugwirkungen an. Je schwächer das Muskelkorsett ausgebildet ist, umso größere Kräfte müssen die Wirbelkörper und Bandscheiben abfangen. Dabei können Spannungsänderungen in einem der „Seilzüge“ die gesamte Takelage aus dem Gleichgewicht bringen (z.B. Blockierung) und es sind ständig Nachregulierungen erforderlich.

Nun müssen wir uns vor Augen halten: Schwimmen ist nicht gleich (Sport-) Schwimmen. Wie bereits bei Knie und Schulter (s. E.06/06) entsprechen die besten biomechanischen Empfehlungen nicht immer den anatomischen Gegebenheiten. Therapeutisch wird Rückenschwimmen empfohlen, da sich die Wirbelsäule in einer günstigen physiologischen Stellung befindet, die allerdings aufgegeben wird, wenn die Schwimmer im Wasser „sitzt“ (typischer Anfängerfehler). Besonders die im sportlichen Brustschwimmen bevorzugte Undulationstechnik mit ihrer wellenförmigen Bewegung des Körpers bei starker Aufrichtung des Rumpfes führt zu einer Hyperlordosierung (Überstreckung mit Hohlkreuz) der Lenden- und Halswirbelsäule.

Ähnlich gelagert sind die Probleme beim Delfinschwimmen, wobei wir zunächst trennen zwischen der Arm-/Gesamtbewegung, die zu einer ähnlichen Hohlkreuz-Haltung führt wie beim Brustschwimmen und der eigentlichen Delfinbewegung. Diese „Beinbewegung“ beginnt im Gegensatz zu den anderen Schwimmarten im Bereich der Lendenwirbelsäule und setzt sich wellenförmig bis in die Fußspitzen fort. Die Lendenwirbelsäule erlaubt Bewegungen in sagittaler Ebene (vorn nach hinten). Grenzen setzt hier der Belastungsumfang, sowohl in seiner Häufigkeit (Anzahl der Wiederholungen) als auch seiner Intensität (Geschwindigkeit bis Zusatzlasten). Da weltweit im Schwimmen ohne eine exzellente Delfinbewegung kaum noch ein Blumentopf zu gewinnen ist, wird diese verstärkt geübt und eben auch einmal überzogen (s. C.17).

Hohlkreuz-Haltung (Hyperlordisierung) beim Brustschwimmen

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