„Es ist nicht alles Schnee, was weiß ist“ Deutsches Sprichwort
Diese Sorge teilen Sie mit vielen Eltern und es ist erfreulich, dass Sie die Verantwortung für die Dopingproblematik nicht delegieren, sondern Ihren eigenen Beitrag leisten wollen, um Ihr Kind zu schützen. Dazu sind Sie zwar auch laut Gesetz verpflichtet (elterliche Sorge), aber bei verantwortungsbewussten und liebevollen Eltern braucht man wohl nicht mit der Gesetzeskeule zu drohen. Trotzdem sei erwähnt, dass sich Eltern nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch im weitesten Sinne darum zu kümmern haben, wie das Kind seine Freizeit gestaltet (Röchling, W. Elternrechte-Elternpflichten. München-dtv, 2007, S.64). Dieses „Kümmern“ sollte einschließen:
- Vorbildfunktion der eigenen Familie,
- Vertrauen zum Kind,
- Kenntnis des Umfeldes und besonders guten Kontakt zum Trainer,
- Unterstützung bei der sportlichen Entwicklung,
- Ausschließen von Leichtsinn.
Ihre Vorbildfunktion kann sich nicht darauf beschränken, Doping im Sport zu verurteilen. Viel wichtiger ist vorzuleben. Wenn es in Ihrer Familie üblich ist, wegen jeder Kleinigkeit zur Pille zu greifen, Nikotin und Alkohol alltäglich sind, dann ist bereits der Nährboden für Dopingmentalität gegeben. Man sollte sich auch dessen bewusst sein, dass das „Kavaliersdelikt Steuerhinterziehung“ oder die bewusste Geschwindigkeitsüberschreitung Kinder dazu verleiten, das mit den Geboten nicht so genau zu nehmen, vor allem wenn die Strafe ausbleibt?
Vertrauen ist eine grundsätzliche Voraussetzung im Kampf gegen Dopingmissbrauch. Das betrifft sowohl das Verhältnis zu Ihrem Kind als auch zu dessen Trainer. Maxime dieser Beziehung sollte sein
„Persönlichkeitsentwicklung geht vor Leistungsentwicklung“.
Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die Broschüre „Gemeinsam gegen Doping-Ein Ratgeber für Eltern“, die die nationale Anti Doping Agentur (NADA) herausgegeben hat[1] . Diese Broschüre geht davon aus, dass es dem „Schutz junger Athleten dient, wenn auch die Eltern Bescheid wissen über alles, was im Kampf gegen Doping im Sport relevant ist – über das Anti-Doping-Regelwerk, über die Dopingfallen, die unter anderem in harmlos scheinenden Medikamenten lauern können, oder auch darüber, was zu tun ist, wenn ein Athlet krank ist“ (Vorwort).
Von Ihrer Frage ausgehend widmen wir uns vor allem der Dopingvorbeugung. Erkennen Sie gemeinsam Alarmsignale, denn Sucht entsteht meist nicht automatisch dadurch, dass Suchtstoffe verfügbar sind oder angeboten werden. Auch aktuelle Probleme lösen nicht zwangsläufig den Griff zum Suchtmittel aus. Manchmal kommen jedoch ungünstige Voraussetzungen hinzu, wie zum Beispiel:
- geringes Selbstwertgefühl
- mangelndes Selbstbewusstsein
- überzogene Erwartungen an die eigene Person
- geringe Frustrations- oder Stresstoleranz
- Neigung, das eigene Befinden durch Medikamente zu “steuern”
Oft sind es die einfachen Dinge, mit denen wir großes Ungemach verhindern können. Nehmen wir mal das Zuhören, das leider in der alltäglichen Hektik immer mehr verloren geht. Der Hallenser Psychotherapeut Maaz sagte, das größte Geschenk an Menschen besteht manchmal darin, seinem Gegenüber das Gefühl zu vermitteln, den anderen zu verstehen. Nun werden Sie sagen, der mit seinen frommen Sprüchen und denken daran, wie Sie abends nach Arbeit und Einkauf in der Küche stehen und Ihr Sprössling just in dem Moment all das Erlebte des Tages loswerden will. Aber hören Sie zu und tun Sie nicht nur so, sondern zeigen Sie im Gespräch, dass Sie die Eindrücke und Probleme Ihres Kindes interessieren. Diese Zuwendung ist in jeder sozialen Beziehung die Basis für Vertrauen. Und Vertrauen ist die Grundlage auch zum Schutz Ihres Kindes vor Dopingmissbrauch. Dabei achten Sie auf folgende Alarmsignale:
- Ihr Kind ist mit seiner Leistungsentwicklung unzufrieden („jetzt ist schon Dieter schneller als ich“) oder der Leistungsdruck wird wegen unrealistischer Zielstellungen (von wem?) zu hoch
- es hadert mit dem Training („war früher besser“, „Warum schwimmen wir immer so viel, ich werde ja trotzdem nicht besser“), gute Freunde verlassen die Trainingsgruppe.
- Kontakt mit „Freunden“, die den Sinn seines Sporttreibens anzweifeln oder unerlaubte unterstützende Mittel empfehlen (s. B.06 )
- Schwierigkeiten im Umfeld (Schule, Elternhaus, Freundeskreis).
Wenn Ihr Kind den Sprung in einen Kaderkreis geschafft hat, dann sind Regeln einzuhalten, die bislang nicht so strikt zu beachten waren. Angenommen Sie backen einen Mohnkuchen und sind stolz, dass Ihr Sohn diesen fast allein aufgegessen hat. Aber ab sechs Stückchen Mohnkuchen können im Urin Drogen (Morphin) nachgewiesen werden. Da Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, sollten Sie informiert sein, welche Stoffe offiziell zum Doping zählen. Diese Liste wird ständig von der WADA aktualisiert und kann im Internet eingesehen werden: http://www.nada-bonn.de/ fileadmin/user_upload/nada/Medizin/Verbotsliste_2012_NADA.pdf
Wir haben Vertrauen als die Grundlage des Schutzes vor Dopingmissbrauch angesprochen. Das betrifft auch das Verhältnis zu Personen, die Ihrem Kind nahestehen, wie der Lehrer oder der Trainer. Vorsicht ist bei blindem Vertrauen angebracht. Während früher Eltern ihre Kinder warnten, sich nicht von Fremden ansprechen zu lassen und zu einer bestimmten Zeit zu Hause zu sein, gehen heute ihre Kinder im eigenen Zimmer „fremd“ (surfen im Internet) und das in erschreckender Offenheit. Auch viele Schwimmerinnen vertrauen ihrem Trainer blind: „Mein Trainer macht das schon“. Der Sprung zum „Nimm das mal, ich weiß schon warum“ ist dann nicht weit. Erziehen Sie Ihre Kinder zu Selbstständigkeit und zu kritischem Hinterfragen.
Abschließend sollten Sie die folgenden Fragen beantworten, die der NADA-Broschüre entnommen sind:
- Wie sind die Möglichkeiten und Chancen für Ihre Tochter/Ihren Sohn im Verein? Sprechen Sie auch mit dem Trainer darüber, wie sie sich gegebenenfalls verbessern lassen.
- Suchen Sie regelmäßig den persönlichen Austausch mit dem Trainer.
- Führen Sie Gespräche mit Ihrer Tochter/Ihrem Sohn über die Situation im Verein und im Training.
- Wie ist das Verhältnis zwischen Trainer und Ihrem Kind?
- Fühlt es sich im Verein und unter den Trainingsbedingungen wohl? Verschaffen Sie sich ein Bild von den Trainingsbedingungen und der Rolle des Trainers. Gerade wenn Sie bei Ihrem Kind einen Leistungsabfall beobachten oder es ein längeres Leistungstief hat, sollten Sie auf die Rahmenbedingungen achten, denn sie können einer der Gründe für Leistungseinbrüche sein.
- Wie ist die zeitliche Strukturierung von Training und Wettkämpfen?
- Stehen Belastungsphasen ausreichende Entlastungszeiten gegenüber?
- Trainiert Ihr Kind aus Ihrer Sicht zu viel oder zu wenig?
- Nimmt der Trainer auf schulische Anforderungen Rücksicht?
- Wie gehen Trainer mit dem Erfolgsdruck um, unter dem sie selbst stehen?
- Thematisieren sie das Thema Doping mit den Athleten?
- Vertreten sie eine klare Haltung gegen Doping
Sollten Ihnen Fälle von Dopingmissbrauch bei Ihrem Kind oder in dessen Umfeld bekannt werden, dann melden Sie dies an Anti-Doping-Beauftragte der Landessportbünde oder Spitzenverbände des Sports. Die Adressen erfahren Sie über die Geschäftsstellen, für den Deutschen Schwimmverband: Geschäftsstelle des DSV, Korbacher Str. 93, 34132 Kassel. Bringen Sie nicht die Presse ins Spiel, denn zumeist handelt es sich nur um einen Verdacht. Die Journaille lechzt regelrecht nach solchen Informationen. Sind diese erst einmal verbreitet, lassen sie sich nicht mehr rückgängig machen, selbst wenn sie falsch sind. Rufmord ist zumeist die Folge.
Übrigens hat der Medikamentenmissbrauch auch den Breiten- und „Gesundheits“sport erfasst. So greift fast die Hälfte aller Ausdauersportler vor wichtigen Laufveranstaltungen zu Schmerzmittel. Der Anteil der überwiegend Anabolika-Nutzer liegt zwischen 13-16%. Geschluckt werde alles, was stärker, schlanker oder muskulöser mache (DOSB-Presse, 12/2013). Medikamentenmissbrauch im Freizeit- und Breitensport muss kein Doping sein, weil nicht gegen die Liste der Nationalen Anti Doping Agentur der verbotenen Substanzen und Methoden verstoßen wird. Dennoch stellt er ein hohes Gefährdungspotential für die Gesundheit dar (DOSB 5.08.13). In einer Expertise des DOSB finden Sie viele Hinweise, um Medikamentenmissbrauch zu erkennen:
https://gesundheit.dosb.de/angebote/medikamentenmissbrauch