Wer mit zehn Jahren ein Wunderkind ist, hat mit fünfzehn Jahren Talent und ist mit zwanzig Durchschnitt (Japanisches Sprichwort).
Beginnen wir mit einem Beispiel:
Der achtjährige Fritz war einer der ersten in der Seepferdchen-Gruppe. Besonders schnell erlernte er das Brustschwimmen und konnte bald die ersten Wettkämpfe gewinnen. Stolz zeigte er seinen Eltern die Urkunde und auch Omi und Opi waren begeistert von dem Wunderkind. Als er dann noch mit einer Medaille im örtlichen Anzeiger abgelichtet war, sah man ihn zu Größerem berufen. Der junge Trainer, ganz im Fahrwasser der erfolgshungrigen Familie, feilte weiter an Fritz‘ Brustschwimmen und so wurde bald der Landesmeister gefeiert. Die anderen Schwimmarten störten nur, zumal die Gefahr bestand, dass dann Fritz mit der Fußhaltung nicht mehr zu Recht kommt. Nach zwei Jahren konnte er immer noch nicht richtig kraulen und Delfin schwimmen. Inzwischen haben ihn auch einige seiner Kameraden im Brustschwimmen eingeholt. Der dank der frühzeitigen Spezialisierung erreichte Vorsprung im Brustschwimmen war aufgezehrt.
Die Trainingspraxis ist reich an solchen Beispielen. In der Summe führten diese über Jahre zu Erkenntnissen, die zu allgemeinen Handlungsorientierungen für Trainer und Sportler wurden. In der Sportwissenschaft sprechen wir von Trainingsprinzipien. Ein solches Trainingsprinzip ist das Prinzip der rechtzeitigen und zunehmenden Spezialisierung.
Nun werfen uns einige Sportwissenschaftler vor, wir würden im Schwimmen viel zu zeitig spezialisieren, also schwimmen. Es sei doch besser, wenn die Kinder erst in vielen Sportarten Bewegungserfahrung sammelten und dann als Jugendliche mit dem Schwimmtraining begännen. Inzwischen haben aber weltweit gut 50 Jahre Training mit jungen Schwimmern/innen zu folgenden Erkenntnissen geführt:
- Das Höchstleistungsalter liegt im Schwimmen bei 22-24 Jahren. Diese Höchstleistung erfordert umfangreiche konditionelle, koordinative und psychische Leistungsvoraussetzungen, die nur in einer langjährigen Ausbildung erworben werden können.
- Diese Ausbildung basiert, wie im Schulunterricht auf einer breiten Grundlage. So heißen die ersten Etappen auch Grundausbildung und Grundlagentraining. Die rechtzeitige Spezialisierung verfolgt das Ziel, die für die einzelnen Leistungsvoraussetzungen günstigen Altersperioden optimal zu nutzen (Schnabel 2008).
- Zudem wird Schwimmen als Ganzkörperbewegung mit seinen komplexen Anforderungen an Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit, gekoppelt an einen hohen Anteil weiterer Körperübungen an Land der Forderung nach vielseitiger Bewegungserfahrung gerecht.
- Darunter verstehen wir im Schwimmen die Ausbildung in allen vier Schwimmarten einschließlich Start und Wenden und der Spanne der Wettkampfstrecken vom „Sprint“ (50m) bis zur Langstrecke (1500m). Um das auf den Punkt zu bringen, empfehlen wir in unserer Nachwuchskonzeption die 200m und später 400m Lagen als Leistungszielstrecke.
- Erst mit dem Übergang in das Jugendalter (Anschlusstraining) bietet sich eine Spezialisierung auf eine bestimmte Schwimmart (z.B. 50-200m Brust) oder Strecke (z.B. 100m Freistil und Delfin) an. Im Hochleistungstraining bestimmen individuelle Stärken und „Marktlage“ die Leistungszielstrecke.