Kann man Leistungssport noch empfehlen?

Ist einem Kind noch eine Leistungssportkarriere zu empfehlen und zeugt die ablehnende Haltung der Bayern gegen die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele nicht von einer Sinnkrise des Leistungssports in Deutschland?

Sie beziehen sich auf den Bürgerentscheid in Bayern, wo immerhin 75% eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 ablehnten. Die Presse machte daraus gleich ein „verheerendes Votum“ und stellt die Frage, ob die Bürger den Spitzensport überhaupt noch wollen? (Spiegel, 47/2013). Die Frage nach der Sinnkrise des Spitzensports folgte auf den Fuß. Wenn schon Sinn ins Spiel gebracht wird, dann sollte das Ereignis sachlich gewertet werden. Die Bayern, die zu Tausenden zum Biathlon nach Ruhpolding, zum Skispringen nach Garmisch-Partenkirchen oder zum Bobrennen nach Schönau ziehen, wählten nicht den Leistungssport ab, sondern die Spiele mit ihren wenig überschaubaren finanziellen und ökologischen Folgen. Original-Kommentar eines Landwirts: „Mia brauch ma des ned…Kost ois zvui Geld“ (ARD). Tatsächlich werden die Spiele für die Ausrichter immer mehr zu einem riskanten Unternehmen. So musste Turin 2006 ein Defizit von 25 Mio. Euro übernehmen. Die letzte Bewerbung von Leipzig für die Sommerspiele wird als reine Geldverschwendung bewertet. Hinzu kommt, dass viele das „IOC nur noch als Bande von Plünderern“ (Spiegel, 47/2013) wahrnehmen. In Bayern haben ökologisches Bewusstsein und Heimatliebe der Bürger über Kommerz und Gigantismus und nicht über den Spitzensport gesiegt.

 Wir sollten ferner bei der Bewertung trennen zwischen Olympismus, Olympischen Spielen und IOC. Für Coubertin (1917) vereinigte der Olympismus „wie in einem Strahlenkranz alle jene Prinzipien, die zur Verbesserung des Menschen beitragen“, wohlgemerkt „Verbesserung“ und nicht Bereicherung. Auf das Coubertinsche Gedankengut gehen die Merkmale einer „olympischen Erziehung“ zurück:

  • harmonische Ausbildung des ganzen Menschen,
  • Streben nach menschlicher Vervollkommnung über hohe Leistungen,
  • Freiwillige Bindung im Sport an ethische Grundsätze wie Fairplay und Chancengleichheit,
  • (das heute fast verabschiedete) Ideal des Amateurismus,
  • Friedensgedanke und Völkerverständigung (zwischenmenschlich Respekt und Toleranz),
  • Förderung emanzipatorischer Entwicklungen (Gruppe 1997).

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Bürger diesem Gedankengut verwehren würden. Sinnkrisen im Spitzensport entstehen, wenn bestimmte Erscheinungen mit diesen hehren Idealen kollidieren. Und die Liste der „Schadstellen“ im Spitzensport ist inzwischen unerträglich lang: Korrupte Schiedsrichter, dopende Athleten, sexueller Missbrauch, rassistische Gewalt-Ausbrüche in Fußball-Stadien, Wett-Betrug im Tennis…. Hinzu kommen mit IOC und FIFA skandalerprobte und profitorientierte Konzerne, die ganze Ausrichter-Nationen mit Knebelverträgen an die Kandare nehmen wollen. Und trotzdem „der Sport an sich kann ein vorbildliches Modell sein. Zum Ausleben des natürlichen Ehrgeizes. Um sich anzustrengen, zu verbessern, zu messen, und auch mal mit einer Niederlage umzugehen. Nicht zu vergessen als Mittel zur Integration, weil die Stoppuhr eben nicht nach Hautfarbe oder Religion unterscheidet.“ (Tagesspiegel. 13.05.2012). Der Sport spricht für sich. So siegte zum Beispiel 2023 im quotensüchtigen Fernsehen der Handball mit sieben Millionen Fans klar gegen ZDF-Krimi und RTL-Dschungel.

Wir haben im DOSB inzwischen die Grundsätze der olympischen Erziehung zum Leitbild des Handelns unserer Trainer gemacht (s. Ehrenkodex am Ende des Buches). Das sollte doch auch Ihnen Zuversicht bei der leistungssportlichen Karriere Ihres Kindes geben. Es kann sich vertrauensvoll einreihen in die Schar der mit fast 28 Mio. Mitgliedern größten Bürgerbewegung unseres Landes. Davon treiben im DSV   77 Tausend Schwimmer/innen Leistungssport.

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