Den wesentlichen Vortrieb im Schwimmen leisten die oberen Extremitäten. Deshalb gestatten Sie einführend einen kleinen Ausflug in die Anatomie:
Die gesamte Schulterregion ist fast vollständig in Muskeln und Bänder eingebettet. Das ist notwendig, da das Schultergelenk bei einer kleinen knöchernen Gelenkführung einen sehr großen Bewegungsumfang leistet, wie z.B. in den Schlagschwimmarten. Besonders solche Forderungen wie „Ellbogenvorhalte“ und „Streckung vor dem Wasserfassen“ belasten aber stark die Muskelgruppe, die den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne des Schulterblatts hält und Drehungen nach innen und außen kontrolliert (Rotatorenmanschette) und damit den unter dem Rabenschnabelfortsatz des Schulterblattes liegenden Schleimbeutel mit der darunter befindlichen Supraspinatussehne. Der Belastungsumfang für das Schultergelenk ist gut vorstellbar, wenn man davon ausgeht, dass ein Spitzenschwimmer etwa 500 – 800 Tausend Armzyklen pro Jahr und das über mehrere Jahre durchführt. Gut die Hälfte aller Leistungsschwimmer hatten während ihrer Laufbahn als Schwimmer Schulterbeschwerden. Deshalb spricht man auch bei diesen Beschwerden von der „Schwimmerschulter“. Vor allem Kraulschwimmen, verstärkt durch den Einsatz von Paddles, führt zur Entzündung des Schleimbeutels (Inpingementsyndrom). Das kann aber auch durch eine instabile Schulter hervorgerufen sein.
Die Ursachen sind meist veränderte Beuger-Strecker-Relationen (muskuläre Dysbalancen). Diese sind nicht nur auf die sportartspezifische Belastung durch das Wassertraining, sondern auch auf das Training mit imitierten Schwimmbewegungen an der Schwimmbank zurückzuführen. Dort übersteigen die Zugkräfte in der Regel die des Wassertrainings. Deshalb lehnten einige Trainer und Sportwissenschaftler ein selektiv muskulär „spezifische Krafttraining“ ab. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass diese Probleme vor allem bei Schwimmern auftraten, die nach dem Motto „Geschwommen wird im Wasser“ auf das ergänzende Training an Land verzichteten oder anatomisch vorbelastet waren, was durch fehlende orthopädische Eignungsuntersuchung übersehen wurde. Schwimmer, die systematisch gesichtet (und dazu zählt auch die orthopädische Kontrolle) und an Land gekräftigt wurden, hatten auch an der Schwimmbank keine Probleme.
Präventiv wird empfohlen (nach Engelhardt)
- Optimierung der Armzugtechnik
- Höhere Wasserlage zur Schonung der Schultern
- Verbesserung der Rotation um die Längsachse
- Kräftigung der Rumpf- und Hüftmuskulatur zur Stabilisierung der Wasserlage
- Optimierung der Kopfhaltung (nicht krampfhaft hoch, sondern locker geneigt)
- Vermeiden von schulterschädigendem Aufwärmen (extremes Armkreisen, Dehnung des großen Brustmuskels durch Partner)
- Dehnung der verkürzten Hüftmuskulatur
- Verzicht auf Paddles zu Saisonbeginn, zum Einschwimmen oder bei schlechter Technik
- Muskuläre Balanzierung des Bereiches Schulter/Nacken/Rücken durch Dehnung der verkürzten Innenrotatoren und Kräftigung der schulteraufrichtenden Muskulatur
- Nur leichte Gewichte zu Beginn eines Schulterkräftigungsprogramms
Ist das „Kind erst einmal in den Brunnen gefallen“, ist medizinische Beratung notwendig. In der Akutphase ist eine Belastungspause zu empfehlen. Nach deren Abklingen wird mit einer Komplextherapie begonnen, dabei ist eine absolute Ruhestellung zu vermeiden. Erst wenn alle konservativen Maßnahmen versagen, ist eine arthroskopische Operation angesagt.
Hinweise zu vorbeugenden Übungen: http://www.fina.org/project/index.php?option=com_content&task=view&id=1435&Itemid=496
Konsultieren Sie den Sportarzt: https://schulterinfo.de/schwimmen_schulter.html